Joseph Roth, Radetzkymarsch
Um diese Zeit begannen die Ferien. Der fünfzehnjährige Sohn des Bezirkshauptmanns, Carl Joseph von Trotta, Schüler der Kavalleriekadettenschule in Mährisch-Weißkirchen, empfand seine Geburtsstadt als einen sommerlichen Ort; sie war die Heimat des Sommers wie seine eigene. Weihnachten und Ostern war er bei seinem Onkel eingeladen. Nach Hause kam er nur in den Sommerferien. Der Tag seiner Ankunft war immer ein Sonntag. Es geschah nach dem Willen seines Vaters, des Herrn Bezirkshauptmanns Franz Freiherrn von Trotta und Sipolje. Sommerferien hatten, mochten sie in der Anstalt an welchem Tag immer beginnen, zu Hause jedenfalls am Samstag anzubrechen. Am Sonntag hatte Herr von Trotta und Sipolje keinen Dienst.
Den ganzen Vormittag von neun bis zwölf reservierte er für seinen Sohn. Pünktlich zehn Minuten vor neun, eine Viertelstunde nach der ersten Messe, stand der Junge in der Sonntagsuniform vor der Tür seines Vaters. Fünf Minuten vor neun kam Jacques in der grauen Livree die Treppe herunter und sagte: »Junger Herr, der Herr Papa kommt.« Carl Joseph zog noch einmal an seinem Rock, rückte das Koppel zurecht, nahm die Mütze in die Hand und stemmte sie, wie es Vorschrift war, gegen die Hüfte. Der Vater kam, der Sohn schlug die Hacken zusammen, es knallte durch das stille, alte Haus.